Derartige Fehler äußern sich häufig in einer erhöhten Nebenwirkungsrate, die oftmals mit einer Einweisung in die Klinik verbunden ist, insbesondere wenn es sich um systemische anzuwendende Rezepturarzneimittel handelt. Erst letztes Jahr wurde das ZL gleich von zwei Unikliniken wegen dem begründeten Verdacht einer iatrogenen Vitamin-D-Intoxikation angesprochen. In der Tat konnte eine mehrfach überdosierte Vitamin-D-Tropfenrezeptur für die besagte Intoxikation verantwortlich gemacht werden. Auch über zehnfach höhere Wirkstoffkonzentrationen in Methadon-Lösungen oder Amilorid-Kapseln wurde schon in der Fachpresse berichtet.
Vermeiden lassen sich derartige Überdosierungen durch die Anwendung des Vier-Augen-Prinzips, wie folgendes Beispiel zeigt, welches im internetgestützten Fehlerberichts- und Lernsystem CIRS (Critical Incident Reporting-System) der Apothekerkammer Nordrhein-Westfalen aufgeführt ist.
Für einen Säugling wurden in einer Apotheke Captopril 2 mg Kapseln in zwei Herstellungsvorgängen à 60 Kapseln hergestellt. Die Herstellungsanweisung wurde jedoch für die einmalige Herstellung von 120 Kapseln erstellt. Demzufolge müsste bei der Herstellung von 60 Kapseln die Einwaage entsprechend halbiert werden. Es wurde jedoch Captopril für 120 Kapseln eingewogen aber lediglich 60 Kapseln hergestellt. Damit waren die hergestellten Kapseln doppelt so hoch dosiert wie verordnet. Zum Glück wurde der Fehler bei nochmaliger Durchsicht des Herstellungsprotokolls vor der Abgabe der Kapseln an den Patienten bemerkt und damit größeren Schaden von dem Patienten abgewendet.
Zwei Fehler haben zu diesem Ereignis geführt: einmal eine unklare Herstellungsanweisung und zum anderen der Verzicht auf das Vier-Augen-Prinzip bei der Einwaage.
Gemäß § 35 Abs. 6 Apothekenbetriebsordnung muss die Herstellungsanweisung auch die Kontrolle der Berechnungen, der Einwaagen und der einzusetzenden Ausgangsprodukte durch eine zweite Person oder durch ein validiertes elektronisches Verfahren vorsehen. Mit dem vorgeschriebenen Wirkstoff- Abgleich sowie die Kontrolle der Einwaage bzw. der Berechnung und Umrechnung durch eine zweite Person lassen sich ohne großen Aufwand Flüchtigkeitsfehler leicht vermeiden. Für eine sichere und wirksame Anwendung von selbstangefertigten und patientenindividuellen Rezepturarzneimitteln sollte daher das Vier-Augen-Prinzip als wichtige Sicherheitsbarriere unbedingt eingehalten und auch in dem täglichen Ablauf in der Apotheke integriert werden.